In Memoriam Lutz Ulbricht

Mit großer Trauer haben wir die Nachricht vom Tod unseres langjährigen Ruderkameraden und einzigem Olympiasieger Lutz Ulbricht erhalten.

Lutz Ulbricht wurde 1942 in Berlin geboren und kam über den Ruderverein Hellas Offenbach 1959 zur “Germania”.

Im Zweier- ohne bildete er bald mit Detlef Damboldt eine kongeniale Mannschaft, die erstmals 1963 auf der Deutschen Meisterschaft mit einem 3. Platz auf sich aufmerksam machte. Mit den Karlsruhern Hottenrott/Schwan bildete man 1965 einen Vierer-ohne, der 1965 in Mannheim Deutscher Meister wurde und in Duisburg auf der Europameisterschaft Silber hinter der UdSSR gewann. Anhand der Fotos ist es für Fachleute heute noch interessant zu beobachten, wie sich die Mannschaft entwickelte, wie man von einer normalen Riggerung auf eine italienische Riggerung wechselte, um die starke Steuerbordseite besser einzubinden.

1966 wurde Lutz von Karl Adam in den Deutschland-Achter berufen. Wie heute auch, war dies für die Ruderer sehr aufwändig. Lutz trainierte unter der Woche bei seinem Vereinstrainer Hans Niederée im Kleinboot und am Wochenende im Achter bei Karl Adam in Ratzeburg (einfache Fahrt von Frankfurt 550km) . Nach dem überlegenen Sieg auf der Deutschen Meisterschaft errang der Achter im September 1966 die Goldmedaille bei der Weltmeisterschaft im slowenischen Bled.

Der größte Erfolg dieses Achters war dann 1968 die olympische Goldmedaille bei den Spielen in Mexiko auf einer Regattastrecke, die in 2200 Metern Höhe (!) lag und es in sich hatte. Ein mehrfaches Favoritensterben in allen Bootsklassen war die Folge. Mit dem Vorsprung eines Luftkastens gewann Deutschland vor den starken Mannschaften Australiens und der UdSSR.

Diesen Erfolg wusste Lutz Ulbricht auch gesellschaftspolitisch immer richtig einzuschätzen. Dies ging aus persönlichen Gesprächen hervor. Dem politischen 68er unerträglichen Zeitgeist (Ungeist) setzte er immer einen realistischen Optimismus entgegen.
Ein weiterer großer Erfolg war sicher auch die Bronzemedaille im Zweier ohne 1970 auf der Weltmeisterschaft im kanadischen St. Catherines mit dem Wetzlarer Udo Brecht, wobei Lutz auf die Backbordseite(!) gewechselt hatte.

1972 auf der Olympiade in München startete Lutz hoffnungsvoll mit seinem Partner Erwin Haas von Wiking Offenbach im Zweier ohne. Im Halbfinale wurden dann beide bei extremen Seitenwind, auf einer Startbahn verweht, die man heute noch als Abstellgleis bezeichnet, sodass ihnen das Kleine Finale blieb, dass sie mit großem Vorsprung überzeugend gewannen. Der Trainer der beiden Sportler war damals Walter Scheller.

Was Lutz als Ruderer aus machte, waren sein technisches Können und sein außerordentliches Gefühl im Boot. Dies zeigte sich, als um 1980 das gesamte Ruderbecken mit Elektronik verkabelt wurde und man die Zugkurve analysierte. Ohne Vorbereitung stieg Lutz ins Ruderbecken und kam dabei mit einem jungen langhaarigen Ruderer auf 95% der Idealleistung, einen Wert, den kein anderes Duo mehr erreichte. Der nächste Wert lag bei 76%.
Wer mit Lutz in einer Mannschaft ruderte, hatte immer das Gefühl einen Freund im Boot zuhaben, ein Gefühl, das sich auf die ganze Mannschaft auswirkte. Lange Jahre fuhr er noch in vielen erfolgreichen Mastersmannschaften mit, die die Internationalen Regatten dominierten.
1994 folgte er einem Hilferuf des Vorsitzenden Walter von Witzlow für den “Stadtachter“, weil die etablierten Mastersruderer unseres Vereins nicht gegen die jungen Teams der Rheno und Borussia antreten wollten. In einer Mannschaft um die Altmeister der Germania mit Wolfgang Glock und Lutz Ulbricht gewann der Achter der Germania völlig überraschend und natürlich.

Man konnte mit ihm so herzlich lachen. In seiner Eigenschaft als Versicherungskaufmann der Allianz half er der Germania auch in vielen Fällen und Funktionen. Unvergesslich bleibt für mich, wie er in humorvoller Weise den Unfallbericht von Hobbyruderern der Germania vorlas, die einen wertvollen Stämpfli-Doppelzweier bei einem Unfall zerlegt hatten: “Wir konnten den Frachter nicht wahrnehmen, weil er im toten Winkel war“- Lutz: „Ein 150 Meterlanger Schubverband !”- gemeinsames, schallendes Gelächter.

Kurz vor Weihnachten ist Lutz gestorben.
Er wird uns mehr als fehlen. Unsere Gedanken sind bei seiner wunderbaren Frau, seiner Tochter, seiner Familie.

Michael Ursprung